Wenn ich plötzlich wie mein Vater klinge

Es passiert nicht mit Ansage. Es gibt keinen Gong, kein Vorwarnsignal.
Man steht einfach da – vielleicht mit einer Tasse kaltem Kaffee in der Hand, vielleicht vor einem Kind, das zum 47. Mal „Warum?“ fragt – und plötzlich hört man sich selbst sagen:
„Solange du deine Füße unter MEINEN Tisch stellst…“

Stille.
Kurzer Schock.
Dann das innere Flüstern: Oh nein. Es ist passiert. Ich bin mein Vater.

Der Moment, in dem du dich selbst zitierst – und dein Vater applaudiert (in deinem Kopf)

Ich war nie besonders anfällig für Nostalgie. Aber in diesem Moment spürte ich: Die DNA ist stärker als alle guten Vorsätze.
Ich wollte nie so werden wie er – streng, pragmatisch, mit der Superkraft, aus jeder Situation eine Lebenslektion zu basteln.
Und jetzt?
Erwische ich mich, wie ich Sätze sage wie:

  • „Das ist kein Hotel hier!“

  • „Wenn du das Licht anmachst, dann mach’s auch wieder aus!“

  • „Früher war das anders!“

(Früher. Ich bin jetzt also offiziell früher.)

Die Metamorphose ist schleichend

Es fängt harmlos an: Du wiederholst ein Sprichwort, das du eigentlich nie verstanden hast.
Dann fängst du an, im Baumarkt zu flirten – mit Werkzeug.
Und irgendwann erklärst du jemandem die Vorzüge eines „soliden Gartenschlauchs“.
Das ist der Punkt, an dem du dich entscheiden kannst: kämpfst du dagegen an, oder akzeptierst du dein Schicksal als wandelnder Vater-Klon mit leichtem Hang zu praktischen Jacken?

Zwischen Erkenntnis und Resignation

Natürlich versuche ich, modern zu bleiben. Ich lese Artikel über Achtsamkeit, höre Podcasts über emotionale Intelligenz – und dann schimpfe ich, wenn jemand die Spülmaschine falsch einräumt.
Es ist, als würden zwei Generationen in meinem Kopf um die Fernbedienung streiten:

  • die alte Stimme, die Ordnung liebt,

  • und die neue, die sagt: „Chill doch mal, Bro.“
    (Meist gewinnt die alte Stimme. Sie hat Erfahrung.)

Warum das gar nicht so schlimm ist

Irgendwann habe ich gemerkt: Es geht gar nicht darum, nicht wie mein Vater zu werden.
Es geht darum, die guten Teile weiterzutragen – und die weniger guten bewusst zu parodieren.
Denn: Wenn ich über mich selbst lachen kann, dann hat er wohl doch etwas richtig gemacht.
Vielleicht ist das der Moment, in dem man nicht nur die Stimme seines Vaters hört – sondern auch ein Stück seiner Gelassenheit übernimmt.

Und ja, manchmal sage ich jetzt ganz bewusst:
„Weil ich’s sage, darum!“
Nur, um zu sehen, wie’s sich anfühlt.

Spoiler:
Ziemlich gut.
Ziemlich erwachsen.
Und – irgendwie – ganz schön nach Zuhause.

Thomy