„Paternal Leave – Drei Tage Meer“: Eine kleine Kinoempfehlung
Mit „Paternal Leave – Drei Tage Meer“ legt die Schauspielerin und Drehbuchautorin Alissa Jung ihr Regiedebüt vor — und liefert damit ein intensives, getragenes Vater-Tochter-Drama ab, das weit weg ist von Klischees und schnellen Lösungen.
Worum es geht
Die 15-jährige Leo (gespielt von Juli Grabenhenrich), die ohne Vater aufgewachsen ist, macht sich heimlich mit dem Zug auf den Weg an die italienische Adriaküste. Sie will ihren leiblichen Vater finden — Paolo (gespielt von Luca Marinelli) — und konfrontiert ihn mit Fragen, die er nie beantwortet hat: Warum warst du nie da? Was bedeutest du mir? Doch der Mann, der sie erwartet, hat eine andere Familie, ein anderes Leben – und ihre Existenz wirft sein Leben komplett aus der Bahn.
Was folgt, ist kein Hollywood-Versöhnungstraum. „Paternal Leave“ zeigt, wie schwierig Nähe sein kann — wenn man sich fremd ist, wenn Jahre der Abwesenheit zwischen zwei Menschen liegen, wenn Verantwortung und Vergangenheit schwer wiegen.
Figuren, Begegnung, Emotionen
Die Stärke des Films liegt vor allem in seinen Figuren und deren glaubwürdiger Darstellung: Leo ist wütend, voller Enttäuschung, aber gleichzeitig auf der Suche — nach Antworten, nach einem Stück Identität. Juli Grabenhenrichs Darstellung bringt das mit viel Authentizität rüber. Paolo wirkt überfordert, zerrissen zwischen seinem aktuellen Leben und der Begegnung mit einer Vergangenheit, der er entkommen wollte. Luca Marinelli verleiht seiner Figur eine Mischung aus Unsicherheit, Schuld und Verdrängung — das macht die Begegnung intensiv und nachvollziehbar.
Zwischen ihnen entstehen zarte Momente — ein Blick, eine Geste, das Teilen eines Schweigens — aber auch Abwehr, Distanz, Frust. Die Annäherung bleibt schwierig, oft stockend. Der Film nimmt sich Zeit, solche Brüche wirken zu lassen.
Atmosphäre & Bildsprache
Die Kulisse des winterlichen, verlassen wirkenden Küstenorts rund um das Meer und verlassene Strände unterstreicht die innere Leere der Figuren — ein Umfeld, das Hoffnung und Verlorenheit zugleich atmet. Die Kameraführung unterstützt das mit weiten, distanzierten Bildern, die das Verhältnis zwischen Mensch und Umgebung spiegeln: Nähe und Distanz, Entfremdung und Sehnsucht. critic.de+2Vision Kino+2
Auch der Soundtrack und die ruhige Erzählweise verzichten auf dramatische Zuspitzung: Stattdessen dominieren lange Blicke, unausgesprochene Gefühle und der Staub der Vergangenheit — und genau das macht das Drama glaubwürdig und spürbar. cinema.de+1
Warum der Film sehenswert ist
„Ein ohne Melodramatik gefilmtes Familiendrama, das durch gute Figuren, ein stimmiges Ambiente am Meer und zwei sehr überzeugende Hauptdarsteller überzeugt.“ Filmdienst
„Zwischen Schmerz und Verletzlichkeit, Scham und Ängsten finden sie zueinander.“ cinema.de
Echte Gefühle statt Hollywood-Psychodrama. Der Film zeigt den Schmerz einer verlorenen Kindheit, die Sehnsucht nach Wurzeln und zugleich die Unsicherheit eines Vaters, der sich selbst verloren hat. – Ohne einfache Antworten, dafür mit großer emotionaler Tiefe.
Starke Darsteller – starke Wirkung. Die Chemie zwischen Hauptdarsteller*innen trägt das ganze Drama. Man fühlt Leo’s Wut, Paolo’s Fluchtinstinkt — das macht den Film intensiv und mitreißend.
Ruhige, poetische Inszenierung. Keine Schuldzuweisungen, kein Anspruch auf Versöhnung — stattdessen der Mut, Nähe als Frage, als zartes Pflänzchen zu zeigen. Und eine Atmosphäre, die lange nachhallt.
Mein Eindruck
„Paternal Leave – Drei Tage Meer“ ist kein leichter Film — und gerade deshalb einer, der bleibt. Er verlangt dem Zuschauer Nähe ab, obwohl er Distanz zeigt. Er lädt nicht zum Mitfühlen ein, sondern zum Nachdenken: über Familie, Verantwortung, Abwesenheit. Und über die Frage, ob man eine Beziehung aufbauen kann, wenn alles fehlt — Wurzeln, gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Sprache.
Diese Geschichte bleibt unvollständig, aber sie zeigt eindrucksvoll, wie real und verletzlich Menschen sind, wenn sie einander zum ersten Mal gegenüberstehen. Für mich: ein kleines Kino-Highlight des Jahres 2025 — leise, ehrlich und voller Schmerz wie Hoffnung.
Tommi